Bo Peep – heute Bulverhythe/Hastings
Isabella setzt Schmetterlinge frei
Pfingsten 1817 gönnte sich „Romantic Poet“ John Keats mit 21 Jahren ein paar freie Tage an der See. Bei Hastings um genauer zu sein. Damals gab es dort noch ein kleines Dörfchen mit dem Namen Bo Peep, welches heute dem Stadtteil Bulverhythe zuzuordnen ist und somit längst kein idyllisches Plätzchen mehr ist. Unverhofft fand Keats dort bedeutende Anregungen für weitere seiner Werke. Eine Anregung war dabei aus Fleisch und Blut und hieß Isabella. Isabella Jones. Eine schöne und wortgewandte Frau, die mächtig Eindruck auf Keats machte. Er fühlte sich sehr stark zu ihr hingezogen, als seien sie schon lange miteinander bekannt. Und ja, sie blieben in Verbindung, küssten sich auch, wie Keats später seinem Bruder George einmal schrieb. Man darf behaupten, dass Isabella neben Fanny Brawne, die er ein Jahr später kennenlernte, die wichtigste Frau in seinem kurzen Leben war. Nur vier Jahre nach den schönen Tagen in Bo Peep starb er in Rom – wie schon zuvor seine Mutter und sein Bruder Tom an Tuberkulose. Auf der Isle of Wight vollendete Keats sein Werk „Endymion“. Von Zeitgenossen verlacht, gilt es heute als ein herausragendes Werk der englischen Romantik. Bo Peep gab dafür seine Landschaft und Isabella dürfte in seinen Gedanken gewesen sein, als er die romantischen Zeilen über das Zusammentreffen Endymions mit einer „enigmatic nymph“, einer mysteriösen, rätselhaften, aber anmutig schönen Frau produzierte.
Isabella Jones darf wohl auch den Anspruch erheben, als „Madeline“ in Keats Love Poem „The Eve of St. Agnes“ verewigt worden zu sein, das bei den Zeitgenossen auf dem Index landete als nicht geeignet für junge Damen.
Jetzt aber der eigentliche Hammer: Es darf vermutet werden, dass die erste Version von „Bright Star“ auch auf Isabella zurückzuführen ist. Der gleichnamige und sehenswerte Film „Bright Star“ von 2009, der sich der tragischen Liebe zwischen Keats und der 18-jährigen Fanny Brawne widmete, muss das verschmerzen können. Keats darf zugestanden werden, dass er es sehr ehrlich mit Fanny meinte und „Bright Star“ ihretwegen überarbeitet hat. Und Fanny war dann auch die Nummer eins in seinem Leben. Sie trug nach Bekanntwerden seines Todes sechs Jahre Trauer für ihn. Erst zwölf Jahre später war sie bereit für eine Ehe mit einem anderen Mann. So bleibt Isabella als erste Liebe ganz im Schatten der großen Liebe zu Fanny, aber mit dem literarischen Vermächtnis von Keats ist sie für immer verbunden. Es ist verbürgt, dass Isabella Jones zu den ersten Menschen in England gehörte, die über Keats Tod in Rom informiert wurden, doch bleibt die Identität der Frau ein Rätsel. Eine Quelle schlägt vor, dass sie die Witwe von Lieutenant William Jones war, der am 21. Oktober 1805 bei der Schlacht von Trafalgar neben Nelson auf der Victory zu Tode gekommen war. Na, ob die Welt wirklich so klein war, damals? Jedenfalls wäre sie 1817 dann mal so um die 38 Jahre alt gewesen.
Quellen: Eric Bird and Lilian James: „Writers on the Coast, Windrush Press, 1992
Internet: Keats-Shelley Journal, Wikipedia, Cambridge Core (Text von Heidi Thomson)