Botany Bay
Romantisch, gefährlich, berüchtigt
Die sandigen Bays der Isle of Thanet laden in unseren Tagen zum ungetrübten Strandvergnügen ein. Früher trugen sich dort ganz andere Geschichten zu. Gehen wir zurück in das Jahr 1769. Schauplatz ist die Botany Bay. Joss Snelling und seine Mannen rollen dort wie so oft ein paar Fässer von kleinen Booten. Was so harmlos klingt, ist ein gefährliches Unterfangen, denn Joss und seine Freunde verdingen sich als Schmuggler und an diesem Tag, den 20. März, meint es das Schicksal nicht gut mit ihnen. Die Obrigkeit hat von dieser Aktion Wind bekommen und schickt Soldaten zur Botany Bay. Es kommt zu einem blutigen Kampf auf Leben und Tod. Neun oder zehn Männer von Snelling lassen dort ihr Leben, sechs, sieben oder acht werden gefangen genommen und später in Sandwich gehängt. Mindestens vier Personen gelingt es, aus der Bay herauszukommen. Doch auf ihrer Flucht laufen sie direkt einem berittenen Officer in die Arme. Ein Schuss fällt, der Officer sinkt getroffen vom Pferd und stirbt kurze Zeit später an den Folgen seiner Verwundung. Bei einer anschließenden Suche der Soldaten in der Gegend werden alle Häuser durchsucht und zwei der Entkommenen aufgespürt. Einer von ihnen liegt allerdings schon tot auf dem Boden, der andere atmet noch, hat aber auch keine Hoffnung mehr. Joss Snelling, wohl nicht umsonst zum Anführer der Schmugglerbande gemacht, bewahrt kühlen Kopf und denkt nach. Für seine Verfolger bleibt er wie vom Erdboden verschluckt unauffinbar. Er entkommt also dem Gemetzel und lässt dann etwas Gras über die Sache wachsen. Dann nimmt er sein „Geschäft“ tatsächlich wieder auf. In der Folgezeit wird er zwar mehrfach gefasst, kommt aber stets mit Geldstrafen davon. Bis ins hohe Alter von 89 Jahren bleibt er seinem „Handwerk“ treu und muss gar nicht mehr so sehr um sein Leben fürchten, denn zwischenzeitlich erlebt er sogar die Glorifizierung seiner „Arbeit“, als er 1829 leibhaftig der zehnjährigen Victoria, der späteren Königin von England, vorgestellt wird als der „famous Broadstairs smuggler“.
Einer der zahlreichen Schmugglergänge der Gang von Snelling wird erst 1954 zufällig entdeckt, als ein Bagger bei Bauarbeiten bedingt durch sein Gewicht einsinkt und so den geheimen Weg offenlegt. Bleibt nur noch die Frage zu klären, ob die Joss Bay nach Joss Snelling oder Joss Snelling nach der Joss Bay benannt wurde. Darin sind sich die Geschichtsschreiber und sonstige Experten völlig uneinig. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Joss der Namensgeber der Bay ist, ist es wohl eher umgekehrt. Joss lebte praktisch um die Ecke und die Bay wurde wohl schon 90 Jahre vor seiner Geburt Joss Bay genannt.