Richborough Castle
Erste und letzte römische Bastion
Richborough Castle schreibt für die Römer zunächst als „Gateway to Britain“ Geschichte. Ein paar Jahrhunderte später war es die letzte Bastion, die die Römer schließlich aufgrund ihres Rückzuges aufs Festland aufgaben.
Doch zurück zu den Anfängen: Das Fort bildet den Brückenkopf für das Unternehmen „Landnahme“ in Großbritannien. Wir schreiben das Jahr 43 nach Christus. Die Insulaner wissen zu diesem Zeitpunkt schon ganz genau, mit wem sie es zu tun haben. Erste Feindberührungen fanden bereits ab 55 vor Christus statt, als Caesar auf Exkursion zwei Legionen über den Kanal führte. Auch wenn die Bewohner der Insel regelmäßig verloren und Tribut zahlen mussten, konnten sie sich lange sicher sein, dass die Römer nach ihren Feldzügen wieder in Richtung Festland abrücken würden.
Mit dem vielleicht etwas überraschend eingeleiteten Bau des Kastells Rutupiae änderte sich alles. Und dieser Fakt macht die Überreste des ersten römischen Lagers so bedeutsam. Hier wurde das Fundament für die römische Geschichte Großbritanniens gebaut. Mit dem Basislager im Rücken begann Claudius seinen Feldzug, der ihm Ruhm und Ehre in Rom einbrachte. Er selbst blieb nicht wirklich lange, lernte kaum mehr von der Insel kennen als das heutige Kent. Wahrscheinlich wollte er das Risiko minimieren, bei einem Scharmützel sein Leben zu verlieren, wo ihm doch als Kriegsheld alle Türen in Rom offenstanden.
Die Römer wussten auch um die Bedeutung ihres Lagers Nummer 1 und behielten es aller Wahrscheinlichkeit nach durchgehend über die Jahrhunderte bis zum offiziellen Rückzug auf das Festland im frühen 4. Jahrhundert in ihrem Besitz. Die massiven Mauerreste, die wir heute bestaunen dürfen, stammen teilweise aus dem 3. Jahrhundert, als das Lager zum Schutz gegen Seeräuber generalüberholt wurde. Die Sachsen übernahmen dann nach dem Abzug der Römer von der Insel kampflos das leere Fort.
Die Lage des Forts zeigt noch etwas Bemerkenswertes auf: Die Veränderung der Küste Kents. Archäologen haben bei Grabungen in unmittelbarer Nähe herausgefunden, dass die Küstenlinie einst einmal direkt am Fort vorbeiführte. Wie einige der Cinque Ports verlor also auch Richborough im Laufe der Jahrhunderte seinen Hafen. Als Richborough gebaut wurde, war die Isle of Thanet das, was ihr Name aussagt, eine Insel. Getrennt war sie vom Festland durch den Wantsum-Kanal, der bei einer Breite von mehr als drei Kilometern schiffbar war und bei einem weiteren römischen Fort bei Reculver wieder in offenes Gewässer überging. Jetzt mag man sich fragen, wo denn dieser Wantsum geblieben ist. Ein Teil ist der heutige River Stour. Und der Rest bis Reculver ist in der Bedeutungslosigkeit und kleinen Gräben verschwunden, die man locker mit einem kleinen Sprung überwinden kann.
Und doch, die Natur vergisst nie. 1953 kam es zu einem Sturm über der Nordsee, der so gewaltig war, dass er wenigstens für einige Tage die Isle of Thanet wieder zu dem machte, was sie einmal war, eine vorgelagerte Insel. Und was soll man sagen? Der Klimawandel, das Schmelzen des Eises im hohen Norden hat schon Experten Landkarten zeichnen lassen, die ab 2050 große Teile Kents als überflutet kennzeichnen und die Isle of Thanet tatsächlich wieder als eine Insel ausweisen.
Ganz aktuell sollen weitere Untersuchungen auf dem historischen Grund anlaufen. Es geht dabei um das angrenzende Amphitheater. Die Archäologen erhoffen sich mehr Aufschluss darüber, wann es angelegt und wie lange es genutzt wurde.