Aldington und andere Orte

Aldington und andere Orte

Das Dienstmädchen, das sich mit Henry VIII anlegte

Irgendwann 1506 erblickte in Aldington ein Mädchen das Licht der Welt, das sich einen einzigartigen Eintrag in die Geschichtsbücher Englands sichern sollte. Über die Kindheit von Elizabeth Barton ist nicht viel bekannt – möglicherweise wurden vorhandene Schriftstücke nach ihrem frühen vom Parlament beschlossenen Tod vernichtet.

Gute Güte, was hatte wohl ein einfaches Dienstmädchen verbrochen, dass das englische Parlament in London sich bemüßigt fühlte, es politisch zum Tode zu verurteilen? Wie politisch? Was ist das denn, geht das überhaupt? Ja, das geht, äh ging. In England sogar noch bis 1870. Nach dem Strafrecht zu Zeiten von Henry VIII konnte der damals 28-Jährigen kein Prozess wegen Hochverrats gemacht werden. Doch wurde sie als so gefährlich eingestuft, dass man sie lieber tot als lebendig sah, und so entschieden sich die Parlamentarier zur Anwendung der so genannten Bill of Attainder. Über diesen fragwürdigen Weg wurde die arme Frau einfach politisch zum Tode verurteilt und am 21. April 1534 auf dem berühmten Galgenplatz in Tyburn zum Schafott geführt. Anders als Henrys Frauen Anne Boleyn und Catherine Howard, die der König köpfen ließ, wurde Barton gehängt.

Also, wer war diese gefährliche Elizabeth Barton? Sie war zu tiefst religiös im katholischen Sinne und machte mit Prophezeiungen auf sich aufmerksam. Den ebenfalls gläubigen jungen Henry VIII sah sie als Vorbild, bis er die Scheidung von seiner ersten Ehefrau Katharina von Aragon ankündigte. Ab da war der Königs-Ofen für sie ganz schnell aus und erkaltete auf gefühlte 50 Grad minus. Elizabeth wetterte öffentlich gegen Henry und sprach unverhohlen von einem sicheren Platz des Königs in der Hölle, den sie selbst schon in einer ihrer Visionen in Augenschein nehmen durfte. Äh, wie jetzt? Ja, das kleine Dienstmädchen war wie auch immer zu einer ernst zu nehmenden Predigerin gereift, konnte sich sogar der Unterstützung wichtiger Kirchenleute sicher sein. Insbesondere der Benedektiner Edward Bocking war ihr verfallen, seitdem sie als 16-Jährige behauptet hatte, im Fiebertraum mit der Jungfrau Maria gesprochen zu haben. Aber Barton lernte noch andere Menschen kennen, die Einfluss besaßen und durch die sie selbst in unbekannte Höhen gepuscht wurde. Da wären auch zu nennen Sir Thomas More, der Autor von Utopia, und Bischof John Fisher, die beide aufgrund ihre religiösen Überzeugungen nur ein Jahr nach Elizabeth Barton in London hingerichtet wurden.

1524 wurde sie in einem benedektinischen Frauenkloster aufgenommen. Ihre Visionen machten sie zu einer bekannten Persönlichkeit. Mit jedem neuen Tag steigerte sie sich mehr und mehr in ihre Rolle als Auserwählte hinein, wohl so sehr, dass sie selbst an all das glaubte, was sie unbekümmert verlautbarte. Sie nahm sich ganz locker mal das Recht heraus, den König öffentlich zu kritisieren.  Und zwar ganz massiv. Barton hatte schon ordentlich gegen Luthers Lehren gezickt, jetzt legte sie aber erst richtig los. Ihr Einfluss war mittlerweile so groß, dass sie tatsächlich noch vor der Hochzeit mit Anne Boleyn eine Audienz beim König erhielt und diesen, ohne überhaupt mal nachzudenken, mit wem sie da Angesicht zu Angesicht redete, mit ihren Ansichten konfrontierte.  Der König muss beeindruckt gewesen sein. Unter anderem sagte sie Henry einen schnellen und schändlichen Tod voraus, sollte er tatsächlich Anne Boleyn heiraten.

Als Anne Boleyn dann doch als zweite Frau neben Henry VIII Platz nahm, rief Elizabeth trunken von religiösem Eifer öffentlich zur Rebellion gegen den Mann auf, der das Scheidungsverbot des Papstes ignoriert hatte. Sie erklärte Henrys Tochter aus erster Ehe, Maria, zur rechtmäßigen Nachfolgerin und fand unter den katholischen Geistlichen viele Verbündete, die ihre Predigten vervielfältigten und unter die Leute brachten. Sie trieb es einfach zu arg, Warnschüsse wie eine Vorladung zu einem Verhör und selbst eine öffentliche Demütigung wischte sie schnell zur Seite, bis sie schließlich im November 1533, fünf Monate nach der Hochzeit des Königs mit Anne Boleyn von eben diesem verhaftet wurde. Da nach der damaligen Rechtsprechung nur aktive Taten, nicht aber aufrührerische Worte strafbar waren, konnte Henry sie nicht wegen Hochverrats anklagen. Das besorgte dann wie oben beschrieben das Parlament und Elizabeth Barton verschwand aus Henrys Leben. Doch wer weiß, wie oft sich der König ihrer erinnert hat, als eine Ehe nach der anderen irgendwie schiefging und das einzige Glück, endlich einen männlichen Thronfolger gezeugt zu haben, durch den Tod der Mutter im Kindbett getrübt wurde.

War Elizabeth Barton das Opfer einer gnadenlosen Selbstüberschätzung, einer grenzenlosen Geltungssucht? Oder war sie tatsächlich eine Auserwählte? Es muss sicher großen Eindruck auf die junge Dienstmagd gemacht haben, dass ihre Visionen und ihre Geschichten, mit der Jungfrau Maria gesprochen zu haben, von Mönchen mit Einfluss als real angesehen wurden. Oder war sie für die Mönche nur Mittel zum Zweck, weil sie selbst nicht in erster Reihe stehen wollten? Nun, ihre Förderer blieben auch nicht unbestraft. So musste unter anderen auch Edward Bocking, der sie immer wieder zur Königskritik ermuntert hatte, mit ihr zusammen den Weg zum Schafott antreten. In die Geschichtsbücher ist Elizabeth Barton übrigens als „Holy Maid of Kent“ eingegangen.

Vielleicht ist sie ja doch mit einem Lächeln aus dem Leben geschieden, etwa nach einer letzten Vision, in der sie schlussendlich Maria, die Katholische -Bloody Mary –  auf den Thron sitzen sah. Überlieferungen sprechen hingegen eine andere Sprache. Danach soll sie in den letzten Minuten ihres Lebens ihren religiösen Kampf gegen den König öffentlich bedauert haben. Sie soll behauptet haben, dass ihr die Priester den Kopf verdreht hätten und dass sie den Tod aufgrund des eingeschlagenen Irrweges verdiene. Das mag sie aber auch nur gesagt haben, um einen schnellen Tod zu bekommen. Nach ihrem Tod durch den Strang, wurde ihr Kopf vom Körper getrennt und öffentlich auf der London Bridge in der Hauptstadt ausgestellt.

Quellen:

Michael McNay Red Guide Kent 1989

Martin Latham: “Kent’s Strangest Tales”, 2012

Internet: Wikipedia

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